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Medien-Tipp

Magazin, Web und App

Tools zur Kundenbindung im Radio

Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland seit 1950 als demokratische Instanz zur Bundesrepublik Deutschland gehört und mit seinen niederschwellig erreichbaren Programmen rund um die Uhr im ganzen Land Wissen und Unterhaltung verbreitet, stehen die durch den Rundfunkbeitrag abgesicherten Sendeanstalten heute wieder in der Kritik und im Hörfunk wird über fehlende Reichweite geklagt. Aus dem Blickwinkel eines Hörers lässt sich feststellen, dass die mediale Aufmerksamkeit für Fragen rund um den Hörfunk zumindest in den Printmedien wenig ausgeprägt ist. Politische Debatten über Finanzierung oder Strukturen werden aufgegriffen und als Nachricht oder Skandal thematisiert. Das Programm wird in der Tagespresse zwar abgebildet, weitergehende Informationen oder eine kritische Bewertung zur Entwicklung von Genres und Strukturen sind selten. Nur wer regelmäßig Radio hört, erfährt pünktlich drei Minuten vor jeder halben und ganzen Stunde, wie die Sender die Werbetrommel für das eigene Programm und ihre technischen Zugänge rühren.

Wer gezielt einzelne Sendungen hören möchte, kann im Deutschlandradio bis heute auf das kostenlose Magazin zurückgreifen. Die Broschüre bietet im redaktionellen Teil eine Einführung in das jeweilige Monatsprogramm. Das Kalendarium mit einer Doppelseite pro Tag wird mit Text und Bild aufgelockert. Als vor einiger Zeit ein Update dieser Publikation zur Diskussion gestellt wurde, erwies sich der Spielraum allerdings als sehr beschränkt. Letzten Endes war eine größere Schrift das einzige Zugeständnis an die Hörerschaft. Weiter wird mehr Wert auf die Verführung des Publikums zum Hörerlebnis als auf die gezielte Information zum Tagesprogramm gelegt. Tatsächlich ist vermutlich durch den Vorlauf des Printmediums eine thematische Vorschau zu aktuellen Sendungen gar nicht möglich. Ein Programmschema als Beilage muss jedoch ohne einen solchen Grund hinter der Übersicht der Hörspiele und Features zurückstehen. Obwohl an diesem Punkt eigentlich von der Website die Rede sein könnte, spielt sie in der Praxis bei der Auswahl der Sendungen überhaupt keine Rolle. Ihre Bedeutung gewinnt sie erst bei der eigenen Dokumentation von Sendungen. Im Zusammenspiel mit den vielfältigen Speichermedien entsteht kurz- oder langfristig ein privates Archiv zum zeitlich unabhängigen Hörgenuss. Idealerweise könnten beim Download über die Website auch Credits, Abstract und Sendedaten abgerufen werden. Noch werden diese Daten jedoch über die verschiedenen Ebenen der Website verstreut angezeigt.

Der zentrale Zugang für das gezielte Hören ist heutzutage aber die von den Sendern angebotene Anwendung zum Radiohören auf dem Smartphone. Mobil oder auch zuhause entsteht in Verbindung mit der Bluetooth-Technologie ein fast unbegrenzter Zugang zu den Radioprogrammen. Während die anderen Radio-Apps ein Schattendasein auf dem Smartphone führen, ist die Anwendung des Deutschlandradios täglich im Einsatz. Die Übersichten zum Gesamtprogramm und zu den daraus ausgewählten Sendeformaten, die Listen der neuen und der tatsächlich gehörten Sendungen sind gut aufeinander abgestimmt und funktional ausgestattet. Die ausufernde Anzahl von Formaten mit häufig beliebigen Titeln als eine Folge der Programmgestaltung wird von der App zwar bewältigt. Die Zersplitterung von Sendungen in einzelne Beiträge in Kombination mit den ganzen Sendungen wirkt jedoch unentschlossen. Und eine möglichst einheitliche Darstellung von Text-Bild-Listen führt an mancher Stelle zur Kürzung der informativen Texte, um belanglose Bildsymbole anzuzeigen. Schließlich ist die nicht reduzierbare Anzeige des Mini-Players mit seiner Laufleiste ein Ärgernis. Wie im Fall des Magazins ist auch bei der Entwicklung der App die Rolle des Publikums marginal. Hier können Überlegungen ansetzen, um die Hörerschaft nicht nur als Adressaten zu behalten, sondern auch als Partner bei der Entwicklung des Angebotes zu gewinnen. Dafür sollten Motive und Konzepte für die hier besprochenen Zugänge offengelegt werden. Wenn dann noch passende Räume für den Dialog gefunden werden, kann ein Diskurs auf Augenhöhe beginnen. (jk)