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Medien-Tipp

Mehr Reichweite!

Politischer Journalismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

'Die Meute von morgen - Wie verändert sich politischer Journalismus?' wird in der Sendung des Deutschlandfunk Kultur am 18. Februar 2024 zu nächtlicher Stunde gefragt. In der Aufzeichnung einer Veranstaltung des Otto-Suhr-Institutes für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin vom 13.2.24 diskutieren Ulrike Demmer (Intendantin des RBB), Victoria Reichelt (Journalistin und Moderatorin), Thorsten Faas (Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut) und Stephan Detjen (Leiter des Deutschlandfunk Hauptstadtstudios und Studio Brüssel). Das Podium wird von Korbinian Frenzel (Deutschlandradio) moderiert. Die im Titel der Veranstaltung angesprochene Meute gibt das Stichwort für einen Überblick zur aktuellen Situation des politischen Journalismus in der deutschen Medienlandschaft. Dabei werden die privatwirtschaftlichen Zeitungen und Zeitschriften, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die kommerziell aufgestellten Radio- und Fernsehanstalten und die 'Neuen Medien' genannt. Konflikte entzünden sich gegenwärtig weniger am Gegensatz zwischen Privatwirtschaft und öffentlich-rechtlichen Strukturen, sondern eher am Grad der Teilhabe am technologischen Fortschritt. Sowohl die Printmedien als auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk beklagen im Kontrast zu den sozialen Medien einen Verlust an Reichweite.

Orientiert an der Besetzung des Podiums konzentriert sich die Diskussion auf die Lage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Assoziationen entlang der titelgebenden Metaphorik beschreiben den Wandel des Selbstbildes seit der Bonner Republik über die Wiedervereinigung bis zur Gegenwart. Das Bild einer die Politik der neuen Hauptstadt bedrängenden journalistischen Meute konnte auf dem in Bonn mit der Nähe zur politischen Macht gewachsenen Selbstbewusstsein aufbauen, wird aber heute durch die notwendige Anpassung an die Arbeitsweise der sozialen Medien erschüttert. 'Sagen, was ist', mit dieser Devise von Rudolf Augstein, wird eine Haltung zusammengefasst, deren Anliegen bis heute die Wissensvermittlung zur Willensbildung im demokratischen Prozess ist. Weder die hergebrachten komplexen Analysen noch die neuen, auf Klicks ausgelegten pointierten Statements scheinen dazu beizutragen. Doch das Publikum möchte wissen, "wer spricht" (Viktoria Reichelt). Dieser Alt und Jung attestierte Bedarf wird von dem ebenfalls konstatierten allgemeinen Mangel an Medienkompetenz konterkariert. Daher müssten geeignete Formate mit Prozessen der politischen Bildung verbunden werden.

Auf dem Hintergrund einer von vielen als bedrohlich empfundenen komplexen Welt, die neue geopolitische Herausforderungen mit sich bringt und das bisher scheinbar ruhige Fahrwasser der Politik in Frage stellt, wird die liberale Demokratie als nur erschreckend kurzes Zwischenspiel zur greifbaren Dystopie. Mit dem Erstarken von extremen Kräften im parlamentarischen System wird in der Diskussion ein weiteres Handlungsfeld des politischen Journalismus angesprochen. Einerseits wird in Interviews und Analysen ein Umgang gesucht, der abbildet, was ist, und benennt, wenn die von der Verfassung gesetzten Grenzen überschritten werden. Andererseits treten die Parteien mit ihrer eigenen Pressearbeit gerade in den sozialen Medien erfolgreich in Konkurrenz zu den von rechts als 'linksliberal' etikettierten Medienstrukturen. Mit der Öffnung des Podiums zum Publikum im Saal werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Die gesellschaftliche Repräsentanz in Redaktionen und Gremien ist zwar nicht mehr allein an Parteienproporz und Konfession gebunden. Doch über die im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung der Geschlechter hinaus sind alle anderen Kriterien von Diversität durch ein weites Feld der Aushandlung bestimmt. Ohne ein öffentlich-rechtliches Pendant für die sozialen Medien sind die Sender darauf angewiesen, das Publikum mit Angeboten auf den kommerziellen Plattformen in ihre eigenen medialen Strukturen zu locken. Und mit dem Umbau der bisherigen Sende- zu Kommunikationsplattformen wird schließlich eine langfristige Perspektive ins Spiel gebracht. In jedem Fall aber bleiben Glaubwürdigkeit und Vertrauen grundlegende Elemente für den Erfolg des politischen Journalismus. (jk)